Dr. Jürgen Häusler in seiner «Aufgelesen»-Reihe über die omnipräsenten Superlative.
Die vermarktete Welt ist getrieben vom Superlativ. Nur das Beste ist gut genug. Jedes anständige Bäuerchen hat die Welt zu bewegen. Jede ernsthafte Neuerung hat epochal zu sein.
Der damit einhergehende sogenannte gesunde Menschenverstand sieht das ähnlich: Wenn etwas gut ist, dann ist mehr davon besser, am besten ist möglichst viel davon.
Widerständig zeigt sich am ehesten das Handwerk: Die geschulte Köchin weiss natürlich, dass das Salz in der Suppe oft den entscheidenden Unterschied macht, dass aber zuviel davon diese eben versalzt.
Am Ende hilft nur der scharfsinnige Philosoph wirklich weiter. Betrachten wir ein Beispiel. Einer der geliebten Stars des zeitgenössischen Marketing ist die Einfachheit, am besten fremdsprachlich geadelt als Simplicity. Davon kann es dann natürlich auch nicht genug geben. Der allgegenwärtige Schlachtruf bringt es eindrücklich und einprägsam auf den Punkt: «So einfach wie möglich!» Jedes Wort mehr würde die Erfolgschancen des Gedankens für das Marketing stören. Für den nachdenkenden Mitmenschen muss es natürlich dennoch eine Stufe komplexer, drei Wörter länger, werden, damit es wirklich Sinn macht: «So einfach wie möglich. Aber nicht einfacher.» (Albert Einstein)
Vernünftige Vernunft
Angekommen in dieser Welt des (Nach)Denkens, eröffnet sich dann ein ganzes Füllhorn an anregenden Einsichten (so beispielsweise bei der Lektüre von Robert Pfaller: Kurze Sätze über gutes Leben, Frankfurt am Main, 2015). Zur Mässigung erfährt man dort, dass man diese nicht einfach maximieren sollte: «… damit die Mäßigung überhaupt eine Mäßigung ist, muss man sie maßvoll einsetzen.» Auch der Einsatz der Vernunft sollte Grenzen respektieren: «Man muss auch auf vernünftige Weise vernünftig sein.» Und schliesslich wird auch das Leben erst dann richtig lebenswert, wenn wir seine Begrenztheit mitdenken: «… wenn wir alles nur tun, um das nackte Leben zu retten, dann ist das Leben kein Leben mehr. Das heisst auch, lebendig sind wir nur dann, wenn wir auf lebendige Weise am Leben sind.» Der Philosoph wendet sich so gegen die derzeit dominanten «Vorschläge zur Verbesserung von Sicherheit, Gesundheit, Nachhaltigkeit.» Er ruft uns in Erinnerung, dass unsere «großen Glückserfahrungen … auf etwas Ungutem, Unverträglichem oder Unbrauchbarem» beruhen. Er ermuntert uns dazu, dass wir uns «Momente kindlicher Unvernunft gönnen.» Dass wir «trotzig geniessen.» Er ruft dazu auf, dass wir «aus unseren Geld- und Zeitökonomien ausbrechen … – sonst bleiben wir nur Sachbearbeiter unseres Lebens.» Das gute Leben wird möglich, wenn das «problematisch Lustvolle die ökonomische Logik des Haushaltens» bricht.