Indoor-Navigation und digitale Kundenführung sind schon seit längerem Hype-Themen. Unser evoq-Maps-Team befasst sich intensiv damit. Mit den interaktiven Bahnhofplänen für SBB Trafimage haben wir für die SBB ein eigenes, komplexes System etabliert. Der technische Aufwand ist trotzdem recht hoch. Doch was sind die eigentlichen Herausforderungen bei der Kundenführung? Dazu sieben Thesen:
These 1: Menschen lassen sich ungern lenken
Der Gedanke liegt nahe: Wenn ich einen Autofahrer per Navigationsgerät lenken kann, warum dann nicht den Fussgänger? Leider ist der Unterschied fundamental: Als Autofahrer bewegen wir uns in einem regulierten System. Wir müssen der Strasse folgen, wir wissen, dass es Regeln gibt und wir nicht tun und lassen können, was wir wollen. Vor allem aber bildet das Auto eine Schnittstelle zu unserer Umwelt. Als Fussgänger hingegen gehe ich implizit davon aus, dass ich mich frei bewegen kann. Es gibt nur wenige Regeln, die ich befolgen muss. Es gibt auch keine technischen Systeme zwischen mir und der Umwelt. Meine Entscheidungen sind unmittelbar und erfolgen intuitiv. Jede Regulierung dieser natürlichen Freiheit wird zwangsläufig auf Widerstand stossen. Fussgänger lassen sich nur lenken, wenn es nicht anders geht.
These 2: Drei Dimensionen überfordern uns
Die meisten Menschen sind schon mit der Orientierung in einer Stadt überfordert, auch wenn es nur um zwei Dimensionen geht. Innerhalb von Gebäuden aber, in denen Stockwerke eine dritte Dimension bilden, ist es mit dem Orientierungssinn definitiv vorbei. Einerseits ist die Sicht durch Wände und Decken beeinträchtigt und dadurch wirkt der Raum abstrakt. Andererseits ist der Mensch ein flächiges Wesen; der dreidimensionale Raum überfordert ihn grundsätzlich. Deshalb haben es Indoor-Navigations-Systeme schwer. Der dreidimensionale Raum entspricht nicht unserem natürlichen Erleben und dessen Übertragung in ein Orientierungssystem noch weniger.
These 3: Orientierung ist lokal
Jedes Orientierungssystem hat einen gewissen Abstraktionsgrad. Der Teufel liegt aber im Detail. Es ist eben entscheidend, welche Treppe ich nehmen muss, um zu meinem Zug zu gelangen. Kunden fragen oft, warum es überhaupt andere Karten braucht, als jene von Google. Die Antwort ist einfach: Google ist ein globaler Datensammler mit einer globalen Sicht. Orientierung ist aber eine ganz lokale Angelegenheit, und es geht hier eher um die Tiefe und den Detaillierungsgrad von Daten. Zudem ist die Datenpflege nicht gelöst, bzw. oft nicht nachvollziehbar. Google ist eben nur so gut wie seine Datenerfasser. Zudem: Auch Google ist kein eigentliches Indoor-Navigations-System.
These 4: Kunden wollen keine Systeme lernen
Das Smartphone hat unser Nutzungsverhalten von technischen Systemen revolutioniert. Es ist der digitale Alleskönner in der Hosentasche und das Interface einer Vielzahl von Tätigkeiten im Alltag. Entsprechend mässig ist die Begeisterung, zusätzlich andere Systeme zu lernen. Neue Hardware zur Orientierung zu etablieren, wie z.B. die Orientierungs-Terminals im Berner Shoppingcenter Westside, ist zum Scheitern verurteilt, weil das Zielpublikum für die Nutzung das neue System erlernen und verstehen muss. Und es ist nicht mal mobil. Fazit: Wir sollten unseren Kunden nicht immer neue Systeme zumuten, sondern mit dem arbeiten, was alle haben – dem Smartphone in der Hosentasche.
These 5: Kunden sind verschieden
Wenn wir Kunden ansprechen und führen wollen, muss uns bewusst sein, dass diese verschieden sind. Es ist nicht nur eine Altersfrage, ob jemand mit dem Handy navigiert oder sich an Signaletik orientiert. Wir sollten darauf vorbereitet sein, dass Kunden individuelle Entscheidungen treffen, wenn es um ihre Orientierung geht. Zudem sind auch die Nutzerszenarien verschieden. In einem Flughafen verhalten wir uns anders als in einem Museum, und draussen anders als drinnen. Kundenführung heisst deshalb auch: interdisziplinäre Ansprache mit den passenden Plattformen. Sei es eine App, ein Schild oder die persönliche Auskunft.
These 6: Komplexität ja – wenn sie einen Mehrwert bietet
Kundenführung muss so einfach wie möglich sein. Ein Schild sagt manchmal mehr als tausend Klicks. Der Aufbau eines komplexen und interaktiven Systems rechtfertigt sich nur, wenn dieses dem Kunden oder dem Betreiber einen entscheidenden Mehrwert bietet. Zum Beispiel haben wir für unseren Kunden, die SBB, mit dem GeoCMS Cartaro nicht nur interaktive Bahnhofpläne aufgebaut; sie nutzen das System auch für die Bewirtschaftung kompletter Mieterdaten an Bahnhöfen im ganzen Land. Gleichzeitig erlaubt Cartaro die crossmediale Datennutzung für Online- und Offline Bahnhofpläne.
These 7: Die Zukunft gehört lernenden Systemen
Schliesslich wird sich Kundenführung noch fundamental verändern in Richtung individuelle Ansprache. Was beim Tesla geht, wird auch in der Personen-Navigation Eingang finden: Navigations-Systeme lernen von unseren Gewohnheiten, passen sich diesen an und werden zu digitalen Assistenten. Je mehr sie von uns wissen, desto individuellere Informationen werden Sie für uns bereitstellen. Im Supermarkt werden wir künftig personalisierte Angebote aufs Handy bekommen – wie die Migros kürzlich verlauten liess. Die Kehrseite dabei ist der Datenschutz: Wieviele Informationen werden wir preisgeben, damit wir individuell bedient und geführt werden?
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