Eine Nachlese zum Schweizer Markenkongress 2017
Der «Schweizer Markenkongress 2017» ist Geschichte. Der Branchenanlass hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Highlight entwickelt. Er ist mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes «hochkarätig» geworden. Und zwar nicht aufgrund der schicken Umgebung im «The Dolder Grand», sondern durch inspirierende Referate. Dazu tragen auch die lockere Atmosphäre in den Pausen, und natürlich die jährliche Neuauflage von evoq’s Markenlandschaft bei. Aber das ist nicht das Thema hier.
Das Angebot an Diskussionen und Referaten war wie gewohnt immens und die Wahl fiel entsprechend schwer. Die Edding Story «Vom Marker zum Nagellack – Brand Extension in der Nische» interessierte mich. «Edding» ist ein bekanntes Unternehmen, und der klare Platzhirsch bei den Permanent Markern. Eine Marke, die zumindest in Deutschland der Gattungsbegriff ist. Was könnte deren Problem wohl sein?
„Change before you have to“
Schon die Antwort war mutig: «Marktführer zu sein, ist keine Zukunftsperspektive». Oder, wie es Jack Welch mal ausdrückte: „Change before you have to“. Aber wie kann ein Unternehmen mit einem so klaren und starken Profil neue Bereiche erschliessen, seine Marke «stretchen»? Die Antwort: eine Vorwärts-Strategie in der Produkt- und Markenentwicklung. Edding veranstaltet in der ganzen Firma Brainstormings, sammelt verrückte Ideen und Inputs. Auf dem Tisch bleibt schliesslich die Kosmetik-Idee, und insbesondere der Nagellack. Das ist nicht so abwegig, denn ein guter Nagellack hat dieselben Eigenschaften wie ein Permanent-Marker: Er sollte leicht zu öffnen, deckend und kratzfest sein. Der «Edding Nagellack» wird in der Folge entwickelt.
«Edding» geht neue Wege.
Die Markenverantwortlichen sind allerdings klug genug, kein «me too»-Produkt auf den Markt zu bringen. Edding geht konsequent seinen eigenen Weg und hat den Mut, sich bewusst von den Grossen der Branche abzusetzen. Das Resultat ist eine Verpackung, die eher einem Edding-Marker als einem handelsüblichen Nagellack gleicht.
Der Erfolg gibt Edding recht. Die dargebotenen Samples am Kongress waren im Nu weg. Dem Vernehmen nach standen nicht nur Damen in der Schlange.
«Worst done good»
Mein persönliches Highlight war das Referat von Geert van Wersch von der niederländischen Firma «Brandt&Levie». Sie wurde 2011 in Amsterdam gegründet und ist angetreten um die Wurstfabrikation neu zu definieren.
Geert startet sein Referat mit dem Satz „I used to be a vegetarian“. Er ist sozusagen vom Saulus zum Paulus geworden. Denn entgegen der landläufigen und politisch korrekten Meinung, ist Wurst etwas Gutes und Sinnvolles: Sie bedeutet einen nachhaltigen und sinnvollen Umgang mit der Ressource Tier. Die drei Gründer von Brandt&Levie gehen gar soweit, das Ziel der fleischlosen Ernährung in ihrer Markenpositionierung festzuschreiben.
Die Mission der „Worstmakers“ ist der umsichtige und nachhaltige Fleischkonsum, und diese ist ohne die Wurst nicht machbar. Der Claim von Brandt&Levie bringt es mit einem Wortspiel auf den Punkt: «Worst done good» (wobei das holländische „Worst“ natürlich Wurst bedeutet).
«Worst done good» heisst auch, dass die drei Firmengründer ihr Handwerk und ihre Rezepte in kleinen Metzgereien in Italien von Grund auf gelernt haben. Sie legen Wert auf eine nachhaltige Produktion und Tierhaltung. Das ist in der hochindustrialisierten holländischen Foodindustrie alles andere als selbstverständlich.
Ich habe selten ein erfrischenderes, authentischeres Referat gehört, als das der «Worstmakers». Hier spricht jemand nicht einfach von einer Marke, die er verwaltet, sondern von einem Produkt, das mit Leidenschaft, Liebe und Umsicht hergestellt wird. Eine Präsentation, die ohne Statistik und Marktforschungsresultate auskommt, sondern von ihrer Authenizität lebt. Und gleichzeitig machen die Wurstmacher so ziemlich alles richtig, was das Branding anbelangt. «Worst done good» eben, auch in der Marke. Der wachsende Erfolg verwundert nicht.
Bildrechte: edding, Brandt&Levie