Es war ein warmer Herbsttag auf einer Reise in Kalifornien, als mein Handy vor genau 10 Jahren klingelte. Am Ende der Leitung meldete sich ein guter Bekannter. Er informierte mich über ein potenzielles Projekt für das Redesign einer Airline. Die Rede war von Airberlin. Das Unternehmen war gerade drauf und dran, ihre Flotte massiv zu vergrössern. Im August 2007 kaufte Airberlin die LTU. Noch im selben Jahr wurde eine grosse Beteiligung an Belair übernommen und eine Zusammenarbeit mit Niki angekündet. Bereits im Jahr zuvor wurde die dba geschluckt.
Das Branding von Airberlin war zum Zeitpunkt des Anrufes mehr als veraltet. Es erstaunte also nicht, dass an der Markenfront Erneuerungsbedarf vorhanden war. Schliesslich sollte die Flotte mit einem nunmehr interkontinentalen Netzwerk und über 120 Flugzeugen in neuem Glanz erstrahlen. Beauftragt waren zwei grosse Kommunikationsagenturen aus Deutschland, die nun noch einen Markenspezialisten für Corporate Identity und Design suchten. Und da kam evoq ins Spiel.
Die Aufregung und Begeisterung in unserem Team über das überraschende Telefonat war gross. Welche junge Agentur bekommt schon die Chance, eine ganze Flugzeugflotte zu gestalten? Gleichzeitig machte uns der Umfang der Aufgabe ernsthaft Sorgen. evoq war erst wenige Tage zuvor aus der Taufe gehoben worden, ein entsprechendes Grafikteam musste zuerst zusammengestellt werden. Bereits anfangs Januar 2008 sollte das neue CD vorgestellt werden. Es blieben also nur wenige Wochen, das Projekt erfolgreich zu stemmen.
Eine interdisziplinäre Taskforce von mehreren Agenturen wurde zusammengestellt, welche hauptsächlich von Düsseldorf und Berlin aus operierte. evoq war während mehrerer Wochen vor Ort präsent. Ich hatte damals den Lead für die Designentwicklung. Insgesamt wurden vier Routen komplett ausgearbeitet, inklusive Positionierung und entsprechenden Kommunikationskonzepten. Die Kampagne wurde mehrstufig aufgebaut mit Image- und Produktkommunikation, ergänzt durch taktische Massnahmen und einem bunten Strauss an Talk-of-Town Ideen. Die Stimmung war gut, alle frohen Mutes.
Heute, nach dem Zusammenbruch der einst mit bis zu 170 Flugzeugen bestückten Airline, ist mir klar geworden, dass schon beim Relaunch 2007/2008 einige Probleme offensichtlich waren. Der damalige CEO und Mitbegründer der Airline, Joachim Hunold, hatte ein überproportioniertes Airline-Konglomerat zusammengekauft, welches über mehrere Jahre massive Verluste einflog.
Eines der Hauptprobleme von Airberlin zeigte sich für unser Grafik-Team bei der Gestaltung der Liveries – also der Flugzeugbemalung. Ich kann mich noch gut an den Abend erinnern, als ein grosser Stapel Flugzeugbaupläne vor uns ausgebreitet auf dem Tisch lag, um die Positionierung von Schriftzug, Logo und weiteren Angaben auf den Fliegern zu definieren. Rund zehn unterschiedliche Flugzeugtypen, vom Airbus 319, über Boeing 737-800, bis hin zur Fokker 100, mussten mit dem erneuerten Design versehen werden. Schon damals beschränkten sich moderne Airlines auf möglichst wenig Flugzeugtypen, um Unterhalts- und Schulungskosten so tief wie möglich zu halten. Zehn Flugzeugtypen bedeutet folglich auch fast zehnfachen Aufwand.
Eigentlich war also schon vor Jahren absehbar, dass das nicht gut kommen wird. Da haben weder die millionenschweren Investitionen der Araber von Etihad, die Aufnahme in das Vielfliegerprogram von OneWorld, noch das stets schneller drehende Personalkarussell an der Konzernspitze Verbesserung gebracht. Hunold musste bereits 2011 den Sessel räumen, Nachfolger Mehdorn war ebenfalls wenig erfolgreich. Der Rest ist bekannt. Im August 2017 wurde der Insolvenz-Antrag gestellt, nachdem alle Rettungsversuche gescheitert waren. Die Bundesregierung musste trotz Protesten von Ryanair mit einer Übergangsfinanzierung einspringen, um ein sofortiges Grounding zu vermeiden.
Profiteur der Misere ist einmal mehr die Lufthansa, welche bereits 2016 von der maroden Airberlin 40 Flugzeuge mit Besatzung, im sogenannten Wet-Lease übernommen hatte. Ein Grossteil der verbleibenden Flotte wird nun mit Besatzung in die Lufthansa-Tochter Eurowings überführt. Die schon heute undurchsichtigen Flugpreise werden deutlich steigen.
Die rotweissen Flieger werden nun umgemalt. Das Design von evoq verschwindet. Es endet hier ein Stück Luftfahrtgeschichte. Und für uns mehr als das: Auch ein spannender, herausfordender und aufregender Teil unserer Gründergeschichte findet seinen Abschluss. Byebye Airberlin.
Weiterführende Links zum Thema:
NZZ, 18. Oktober 2017 mit dem Titel: «Die Empörung über die Millionen des Air-Berlin-Chefs ist Heuchelei»
Grössenwahn ohne Ressourcenplan:
Erinnert an Sabena und Swissair
Das kann ich nur bestätigen. Das Sabena/Swissair-Debakel ist mir auch durch den Kopf gegangen.