Unternehmen in den verschiedensten Sparten behaupten von sich, kreative Lösungen zu bieten. Bei den Anforderungen an Designer ist Kreativität meist die am häufigsten genannte Fähigkeit. Doch was genau versteckt sich eigentlich hinter dem schwer fassbaren und fast mit einer mystischen Aura umhüllten Begriff der Kreativität? Und sind Designer denn nun kreativ?
Beginnen wir ganz von vorne: Laut Wikipedia lässt sich der Begriff der Kreativität auf das lateinische Wort «creare» zurückführen, was «etwas neu schöpfen» bedeutet. Ebenso steckt der Begriff «crescere» drin, welcher sich mit «geschehen, wachsen» übersetzen lässt. «Kreativität ist allgemein die Fähigkeit, etwas vorher nicht Dagewesenes, Originelles und beständiges Neues zu kreieren», heisst es weiter.
Im Alltag wird der Begriff fast schon inflationär verwendet, zum Beispiel, wenn wir jemanden kennen, der gut zeichnet oder aussergewöhnliche Gerichte kocht. Bei kritischem Durchleuchten ist ein grosser Anteil des als kreativ bezeichneten Resultates oft solid erlerntes Handwerk oder fundiertes Fachwissen, jedoch nicht innovativ: Die liebevoll gezeichneten Blumen sind eine Kopie der Natur auf Papier, das tolle Gericht aus dem Buch eines gehypten Spitzenkochs nachgekocht. Wahre Innovation ist viel rarer. Darum plädiere ich für einen sorgsameren Einsatz des Begriffs der Kreativität.
Nachdem wir uns der Bedeutung des Wortes angenähert haben, drängt sich die Frage auf, was Kreativität nun für die Arbeit eines Designers bedeutet. Erschaffen wir wirklich tagtäglich Neues oder ist unsere Form der Kreativität oft – und das ist keinesfalls abwertend gemeint – ein stetiges Kombinieren von schon Vorhandenem und der Fähigkeit, Inspiration am richtigen Ort abrufen zu können? Wenn wir uns den morphologischen Kasten anschauen, eine in der Designindustrie angewandte Kreativitätsmethode, verhärtet sich diese Vermutung. Die Resultate dieser Methode sind überraschend, in elementare Bestandteile zerlegt ist jedoch kein Akspekt neu.
Ich erinnere mich an einen Auszug aus dem Buch «The Seven Basic Plots» von Jonathan Brooker. Er erläutert, dass alle Erzählungen der Menschheitsgeschichte, die es je gab, gibt und geben wird, auf sieben Plots zurückzuführen sind. Jede Geschichte, die existiert, egal ob gelungen oder nicht, ist eine Abwandlung eines dieser Plots. Da Design als visuelles Storytelling bezeichnet werden kann, stelle ich die Vermutung auf, dass auch hier begrenzte Grundthemen und unendliche Abwandlungen bestehen.
Das führt mich dazu, einen Designer weniger als Innovator, denn als Komponist zu sehen: «Ich kann keine Musik mehr machen mit der Beschränkung auf 88 Tasten, denn deren Möglichkeiten sind ausgereizt» sagte wohl noch kein Komponist und genauso liegt es in der Verantwortung des Designers, immer wieder neue Möglichkeiten in seinem Repertoire zu erkennen. Wo der Komponist weitere Instrumente in sein Stück integrieren kann für mehr Vielfalt, da kann der Designer sich ein möglichst breites Wissen aus den verschiedensten Bereichen wie Kulturgeschichte, Typografie, Architektur und Mode aneignen, um seine Klaviatur zu vergrössern. Damit schafft er es, immer wieder überraschende Lösungen für Aufgaben zu finden. Sind diese gelungen, rufen sie Euphorie hervor und generieren Aufmerksamkeit, was in unserem Business noch viel wichtiger ist als die Frage nach Kreativität.
Sehr Interessanter Beitrag. Ich wollte nur schnell sagen, dass im letzten Abschnitt einmal ein Wort doppelt vorkommt (Mode):
Wo der Komponist weitere Instrumente in sein Stück integrieren kann für mehr Vielfalt, da kann der Designer sich ein möglichst breites Wissen aus den verschiedensten Bereichen wie Kulturgeschichte, Mode, Typografie, Architektur und MODE aneignen, um seine Klaviatur zu vergrössern.
Sonst alles super 🙂 Danke
Hallo
Vielen Dank für den Hinweis. Wir werden das gerne noch ändern.
Schön, dass der Beitrag ansonsten gefällt!
Liebe Grüsse
Valerie