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Die digitalen Helfer sind manchmal wenig hilfreich

Das Telefon klingelt nur noch selten, Besuch kommt in der Agentur kaum vorbei, ein schneller Schwatz an der Kaffeemaschine findet wegen Homeoffice nicht mehr statt. Eigentlich sollte man meinen, dass wir heute mehr Zeit haben als je zuvor, um effizient und konzentriert zu arbeiten. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Adrian Schaffner

| 22. Mai 2024

Aus einer aktuellen Studie von Microsoft wissen wir, dass zwei Drittel aller Arbeitnehmenden, die ihren Tag hauptsächlich vor dem Bildschirm verbringen, von der digitalen Flut regelrecht weggespült werden. Microsoft bezeichnet dies «digitale Verschuldung». Die Menschen verbringen ihre Arbeitstage also mit dem Versuch, ihre Schulden ständig abzubauen. Was heute auf einen durchschnittlich vernetzten Menschen an Daten, Mails, Informationen und Benachrichtigungen einprasselt, übersteigt die Kapazität eines normalen Gehirns. Auf der Strecke bleibt vor allem die kreative Arbeit, die zu Innovationen führt. Ein Alarmsignal, das nicht nur einer Kreativagentur zu denken geben sollte.

Ein Blick auf Computer und Smartphone offenbart die Vielfalt der digitalen Störsender. Teams, Slack, Signal, Zoom, WhatsApp, Mail, LinkedIn – für die Arbeit. Instagram, TikTok, Youtube, X, Facebook und viele mehr für die private Ablenkung. Was das mit uns macht, hat Microsoft letztes Jahr bei über 30'000 Nutzer:innen untersucht. 68 Prozent aller Befragten gaben an, nie ohne ungewollte Unterbrechung arbeiten zu können.  Das Kommunizieren ist also viel einfacher, das Arbeiten aber viel schwieriger geworden. Das zeigt auch eine Vergleichszahl von Microsoft 365 eindrücklich: 57% der Bildschirmarbeitszeit wird heute durchschnittlich in Kommunikationssoftware wie Mail oder Teams verbracht und nur noch 43% in Kreativanwendungen wie Word oder PowerPoint. Hinzu kommt, dass sich gängige Kommunikationsanwendungen gerne bemerkbar machen und mit einem «Pling» zur sofortigen Reaktion auffordern. Besonders WhatsApp oder Slack sind hier Übeltäter. Das Beantworten von Nachrichten fühlt sich zwar wie Arbeit an, ist aber in vielen Fällen wenig produktiv und führt selten zu Innovation.

Dieses ständige kommunikative Geballer, gepaart mit permanenten Meetings und Stand-ups, führt dazu, dass unsere Konzentrations- und Kreativitätsfähigkeit messbar abnimmt. Mangelnde Kreativität und Innovationskraft gehören denn auch zu den grössten Mängeln in Unternehmen, wenn man Führungskräfte weltweit befragt.

Während Microsoft - wen wundert's - die Lösung für dieses Problem bei der künstlichen Intelligenz zu finden glaubt, lohnt es sich vielleicht, selbst einmal auf die Suche nach den grössten Störfaktoren im Agenturalltag zu gehen. Dazu gehört zunächst einmal, den Kolleginnen und Kollegen genau zuzuhören. Was stört? Was können wir in Zukunft weglassen? Welche Kommunikationsmittel wollen wir zulassen und welche definitiv nicht? Oder gönnen wir uns sogar gegenseitig störungsfreie Zeit?

Wir müssen sicher nicht aufhören zu kommunizieren. Aber konzentrierter, klarer und über weniger Kanäle. Wir sollten Meetings abschaffen, wenn die Mehrheit der Anwesenden sie für unnötig hält. Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem Kreativität und Ideen einen hohen Stellenwert geniessen und sich frei entfalten können. Und wenn die Kollegin «KI» dabei hilft, dann nutzen wir auch sie gerne.

 

Adrian Schaffner für einen Beitrag für das Agenturnetzwerk ASW – erschienen bei der persönlich Verlags AG

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